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Der-Meister-des-Schockierenden
September 7, 2005
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Wiener Zeitung
Kultur > Kunst
Der Meister des Schockierenden
Gerhard Stadler
Das Ruhrgebiet feiert Österreichs Schock-Maler Gottfried Helnwein mit einer umfassenden Ausstellung
Gottfried Helnwein zählt seit seinen Anfängen zu den umstrittensten heimischen Malern: Seit 1979 hat der gebürtige Wiener mit seinen Selbstbildnissen mit Verstümmelung, oder den Bildern gequälter Kinder und seinen Aktionen gegen die mangelnde Bewältigung der NS-Vergangenheit verstört. In Oberhausen, im Ruhrgebiet, zeigt nun die Galerie Ludwig mit großformatigen Fotos und Gemälden einen Querschnitt durch das Œuvre des 57-Jährigen.
Gewiss zählt Helnwein aber auch zu den bekanntesten österreichischen Künstlern. Er hat Einzelausstellungen bis nach Beijing gehabt und seine Bilder fanden sich auf den auf Titelseiten von Magazinen wie "Time" und auf Covers von CDs der Gruppe "Scorpion". In Oberhausen, im Ruhrgebiet, zeigt nun die Galerie Ludwig mit großformatigen Fotos und Gemälden einen Querschnitt durch das Œuvre des 57-Jährigen.
Epiphany III (Presentation at the Temple)
mixed media (oil and acrylic on canvas), 1998, Albertina Museum, Vienna
Schock und Wirkung
"Schockierend, krass, aber verdammt beeindruckend" und "verstörend, bizarr, nötig" – das sind zwei Eintragungen im Besucherbuch aus den ersten Ausstellungstagen. Diese Reaktionen sind verständlich. Kaum jemand, der einmal Helnweins frühe Bilder gesehen hat, wird sie jemals vergessen können. Es sind Bilder des gequälten Menschen und Symbole für die Verletzlichkeit besonders von Kindern.
Noch härter sind für den Betrachter die vergrößerten Bilder von Föten (gemalt nach Präparaten im Wiener anatomischen Institut). Mildernd wirkt nur das transzendent schimmernde monochrome Licht, in das die tot Geborenen getaucht scheinen.
Der andere Helnwein
Aber es gibt auch den anderen Helnwein zu sehen: Die Schönheit von Kindern, klassische Gemälde wie etwa Caspar David Friedrichs "Eismeer" als Motiv, oder Fotoserien von Berühmtheiten und, aus jüngster Zeit, Landschaftsgemälde von Irland, wo Helnwein seit 1998 lebt, wenn er nicht gerade in seinem Atelier in Los Angeles weilt: Natur pur, von Horizont und Grün beherrscht.
Wie bei den meisten Gemälden Helnweins fällt auch hier die Verwandtschaft zur Fotografie auf. Es wäre aber zu einfach, seinen Stil als Fotorealismus zu charakterisieren. Die Fotos mögen zwar der Ausgangspunkt seiner malerischen Arbeit sein, doch der Tüftler verfremdet sie, etwa durch Überschärfe.
Auch erreicht er durch den Einsatz verschiedener Maltechniken, vieler Schichten und unterschiedlicher Farbmittel so etwas wie eine transzendente Wirkung.
Erinnern an die NS-Zeit
Und immer wieder schimmern die NS-Vergangenheit und ihre mangelnde Bewältigung durch Helnweins Bilder.
Wie etwa 1988: Zum Jahrestag der Reichskristallnacht hängte der Künstler 100 großformatige Kinderfotos vor dem Kölner Dom auf und gab der Installation den Titel "Selektion".
Auch das Gemälde "Epiphanie I" gehört zu diesem Schaffenskreis: Es stellt ein mittelalterliches Tableau mit der Madonna nach: Die Mutter ist umringt von NS-Schergen, und im Kleinen glaubt man die Züge Hitlers zu erkennen. Die Frage nach Schuld und Unschuld stellt sich beim Betrachten von Helnweins Bilder immer wieder neu.




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